
MIT vor Ort – zu Gast bei Emsdettener Reisebüros
In diesem neuen Format besucht MIT Stadtverbandsvorsitzender Tim Altepost – selbstverständlich unter Wahrung von ausreichend Abstand und Einhaltung entsprechender Hygienemaßnahmen – Mittelständler, Einzelhändler, Freiberufler, Unternehmen vor Ort und kommt mit ihnen ins Gespräch zur aktuellen Corona-Krise.
MIT-Vorsitzender Tim Altepost war bei den Emsdettener Reisebüros Reiseagentur Grenzenlos sowie Reisebüro Ute Lüken-Schencking zu Gast und sprach mit den Inhaberinnen Ann-Katrin Preckeler und Nadine Nitsche, über die Auswirkungen der Corona-Krise auf ihr Geschäft, ihren Arbeitsalltag, Perspektiven nach Lockerungen der Reisebeschränkungen sowie deren Forderungen und Wünsche an die Politik.
Tim Altepost: Klasse, dass ihr euch beide die Zeit genommen habt. Von den bereits geführten Interviews spiegelt unser Gespräch wahrscheinlich die realen Auswirkungen der Corona-Krise am deutlichsten wieder. In welcher Form kann man überhaupt noch von Tagesgeschäft sprechen?
Ann-Katrin Preckeler: Absolut gar nicht. Leider. Unsere momentane Arbeit hat nichts mit dem normalen Arbeitsalltag zu tun. Wir verkaufen normalerweise etwas Schönes, wir beraten und haben nur mit glücklichen Menschen zu tun die, die schönste Zeit des Jahres planen. Nun sieht es so aus, dass wir Stornoberater sind. Wir telefonieren den ganzen Tag, schreiben Mails usw. Und mit jedem Telefonat und mit jeder Mail mehr haben wir ein negatives Einkommen. Denn wir werden nur dann bezahlt, wenn eine Reise auch tatsächlich stattfindet. Das bedeutet bei jeder abgesagten Reise einen Verlust! Die Arbeit haben wir schon lange davor erbracht.
Wir geben Auskunft über AGB, was sinnvoll ist, wie es mit der Restzahlung aussieht. Eigentlich sind wir aktuell Stornoberater, Seelsorger, Therapeut, Rechtsanwalt/Berater und Krisenmanager. Und das alles umsonst!
Nadine Nitsche: Leider kann man von überhaupt keinem Tagesgeschäft mehr sprechen. Die im ca. letzten dreiviertel Jahr gebuchten Reisen werden alle seitens der gebuchten Reiseveranstalter abgesagt. Wir kümmern uns nur noch um die Reiseabsagen, Umbuchungen, Fragen und selbstverständlich auch Sorgen der Kunden. Zuvor war es erstes Gebot alle Kunden, die sich noch im Ausland befunden haben nach Deutschland zurück zu bekommen. Alles aus reinstem Idealismus, denn bezahlt wurden wir dafür nicht.
Tim Altepost: Die gesamte Tourismusbranche ist von jetzt auf gleich weltweit zum Erliegen gekommen. Welche Auswirkungen hat die aktuelle Situation auf Eurer Geschäftsmodell und ist nicht „absolut existenzbedrohlich“ hier die einzig reale Ausdrucksweise?
Nadine Nitsche: Oh ja. Vor allen Dingen versteht kaum jemand wie ernst die Lage für uns Reisebüros wirklich ist. Man stelle sich vor, ein Reifenhändler verkauft im Herbst Winterreifen und zieht diese auf, es kommt kein Winter und er darf dann im Frühjahr diese auf eigene Kosten abziehen und den vollen Preis zurückerstatten. Heißt für uns konkret, die gesamte Arbeit des letzten dreiviertel Jahres war für die Katz. Wir haben die Beratung für unsere Kunden geleistet und danach im besten Fall die Buchung dafür vorgenommen. Für eine Buchung bekommen wir die Provision. Diese bleibt nur im Reisebüro, wenn die gebuchte Reise auch durchgeführt wird. Nun gibt es das weltweite Reiseverbot, sprich alle Reisen werden abgesagt. Die Reiseveranstalter wälzen erneut die Arbeit auf uns ab und wir bekommen keinen einzigen Cent dafür. Im Gegenteil. Die bereits erhaltene Provision wird zurückgefordert, oder gar nicht erst gezahlt. Durch das hohe Arbeitsaufkommen und durch täglich neue Informationen und Bearbeitung der Absagen produzieren wir laufend weitere Kosten, da ich meine Mitarbeiter brauche und nicht alle in 100% Kurzarbeit schicken kann. Durch die Informationsflut weiß kaum einer mehr, wo ihm der Kopf steht und alle haben Angst um ihren Job. Ich selbst bin Mutter von zwei Kindern (1 und 4 Jahre) und kann nicht den Umfang leisten wie zuvor ohne Kinder, da auch mein Mann Vollzeit arbeitet.
Niemand bietet uns eine Perspektive. Die Kosten laufen weiter, wir können nicht einfach einen Außer-Haus Verkauf machen oder etwas Kreatives in unserem Bereich anbieten. Die Soforthilfe reicht hinten und vorne nicht und für sich selbst darf man keinen Cent dafür ausgeben. Sprich seit März auch keinen einzigen Euro an Verdienst für die privaten Kosten.
Ich bin seit 2002, sprich bald 20 Jahre, mit meinem Büro selbstständig. Angefangen mit einer Auszubildenden und den jetzigen Stand hart erarbeitet. 2013 meinen privaten Wohnsitz nach Emsdetten verlegt um den Traum des „großen“ Büros zu leben. Alles was man sich in dieser Zeit aufgebaut hat, geht gerade den Bach herunter. Hinzu die Sorgen um die Zukunft.
Im vergangenen Jahr waren wir ein halbes Jahr durch den Bau des neuen Kreisverkehrs von der Welt abgeschnitten, hinzu kam noch die Thomas Cook Pleite. Allein durch die Pleiten der vergangenen Jahre hat kaum noch ein Reisebüro Reserven.
Ann-Katrin Preckeler: Da kann ich dir nur zu 100% zustimmen. Wie bereits erwähnt, arbeiten wir aktuell kostenlos und erzielen noch ein negatives Einkommen. Erzähle mir mal, in welcher Branche dies noch so ist?! Ich kenne keine. Wenn ich meinen Job nicht so lieben würde, würde man die Situation kaum aushalten. Es ist definitiv absolut existenzbedrohend, denn wir haben keine Einnahmen, müssen bereits erarbeitete Geld zurückzahlen und erhalten Geld nicht, welches wir aber vor Monaten bei der Beratung schon erarbeitet haben. Zudem ist das Aufkommen so hoch, da die Menschen alle verunsichert sind, dass ich eine 80 Stunden Woche habe. Meine Mitarbeiter musste ich alle in die KUG 0 schicken, da keine Einnahmen da sind. Da der Arbeitsaufwand aber allein nicht zu schaffen ist, muss ich diese stundenweise zurückholen. Also habe ich weiter Ausgaben und keine Einnahmen. Diesen Zustand hält man nicht lange durch. Hinzu kommt, dass ich als Inhaberin nicht einen Cent Unterstützung erhalte. Würde ich nicht in einer Partnerschaft leben (nicht verheiratet) würde ich wortwörtlich auf der Straße stehen“ und das als Unternehmerin. Ich habe das Büro vor fünf Jahren aufgebaut, als „Ein-Frau-Büro“ gestartet und hatte 8 Mitarbeiter, zwei musste ich bereits entlassen. Durch die Insolvenzen von Thomas Cook und Germania im vergangenen Jahr habe ich schon viel Geld verloren. Nun sind keine Reserven da, dafür sind wir ein zu junges Unternehmen.
Tim Altepost: Die Presse spricht oft von Branchengrößen, wie Lufthansa oder TUI und verspricht Sofortmaßnahmen. Das hört der schnelle Leser gerne. Von den Reisebüros, die ebenfalls unmittelbar betroffen sind, hört man wenig, obwohl zehntausende Menschen hier direkt im Fokus stehen sollten. Muss die Politik hier den Blickwinkel schärfen?
Ann-Katrin Preckeler: Definitiv muss sie das. Wären wir alle 10.000 Büros, ein Unternehmen, hätte die Politik schon lange reagiert. Nun sind wir aber alle eigenständig und wir interessieren niemanden. Dass wir aber während der Krise von Anfang an die einzigen Ansprechpartner der Kunden waren und Kunden aus dem Ausland zurückgeholt haben, damit sie nicht auf den Regierungsflieger angewiesen sind, interessiert niemanden. Wir haben gerade die ersten 14 Tage nach völligem Ausbruch (13.03.) fast rund um die Uhr gearbeitet, um unsere Kunden aus dem Ausland zu holen. Auch Onlinekunden haben wir geholfen, die sich an uns gewandt haben. Die großen Veranstalter wie TUI waren gar nicht zu erreichen. Sie haben von jetzt auf gleich die Telefone ausgestellt und sind lediglich per Mail zu erreichen. Auch andere haben dies getan. Fluggesellschaften erreichte man gar nicht mehr. Wir waren komplett auf uns alleine gestellt und mussten die Situation meistern. In dem Moment sind wir definitiv „Systemrelevant“ gewesen. Aber wir wurden mit keinem Wort erwähnt und ich glaube man weiß in der Politik gar nicht was wir hier alles leisten. Das ist so traurig. Viele Politiker kennen nicht einmal den Unterschied zwischen Reiseveranstalter und Reisebüro… und auch das alles haben wir kostenneutral abgewickelt.
Nadine Nitsche: Das sollte sie, denn bald werden nicht mehr viele von uns übrigbleiben, wenn nicht sofort etwas passiert. 10 000 Reisebüros in Deutschland sind nicht relevant? Nimmt man mal nicht jedes Büro für sich, sondern die kompletten Reisebüros Deutschlands mit deren Mitarbeitern, kann ich nicht mehr nachvollziehen, warum sich politisch nichts tut. Wir sind zuerst in die Krise gegangen und sind die letzten die raus kommen werden. Keine Planungssicherheit, Existenznöte, die Informationsflut treibt bereits viele Inhaber in ein Burnout. Besonders diejenigen, die keinen Partner haben oder für das Familieneinkommen zuständig sind. Kommt eine weitere Soforthilfe? Gibt es eine weitere nicht zurückzahlbare Unterstützung, denn Kredite sind keine Lösung. Wie kann ich meine Mitarbeiter einsetzen, um auch deren Sorgen etwas zu lindern, denn dafür zu bezahlen sieht ohne weitere Hilfen mehr als schwarz aus. Wir Reisebüros sind direkt am Kunden, wir sind diejenigen, die sich gerade kümmern, die die Kunden zurückgeholt haben und ein offenes Ohr für die Sorgen haben, wobei doch jeder einzelne Mitarbeiter und Inhaber selbst vor dem Abgrund steht.
Warum sind nicht wir systemrelevant, machen wir doch gerade unsere Jobs und das ganze ohne Bezahlung. Wer kümmert sich, damit nicht alles zusammenbricht? Jedenfalls nicht die Veranstalter, die binnen eines Tages 1,8 Milliarden Euro bewilligt bekamen und seit dem ersten Tag nicht mehr telefonisch für uns und auch die Kunden erreichbar sind und kurz zuvor noch Dividenden auszahlen konnten. Jetzt bettelt wieder die Autoindustrie. Ich kann es nicht mehr hören. In all den Nöten der letzten Jahre haben wir gekämpft und noch nie gejammert oder etwas gefordert. Aber jetzt sind auch mal wir dran, denn das Fass ist mehr als voll.
Tim Altepost: Welche Herausforderungen seht ihr generell für die Tourismusbranche, vielleicht auch erst nachgelagert, über die nächsten Jahre? Muss hier neben Soforthilfen nicht auch über Jahre weiter stabilisiert / subventioniert werden?
Nadine Nitsche: Na klar, sein wir doch mal ehrlich. Es wird Jahre dauern, bis sich die Tourismusbranche davon erholt hat und wer weiß, was da noch alles an Auflagen kommt.
So lange sollte uns eine Planungssicherheit gegeben werden. Auch muss generell über unsere Vergütung gesprochen werden. Wir leisten so viel unbezahlte Arbeit. Gerade jetzt zeigt sich, dass wir eine nicht rückzahlbare Provision bei Buchung und nicht nur bei Stattfinden der Reise benötigen. Auch die Mehrarbeit, die wir gerade kostenlos erledigen, muss honoriert werden, oder sonst vom Reiseveranstalter erledigt werden.
Ann-Katrin Preckeler: Da wir in den meisten Fällen erst nach Reiseantritt bezahlt werden, müssen wir die Provisionen nach Buchung erhalten und auch behalten dürfen, selbst wenn die Reise nicht stattfindet. Wir haben unseren Vertrag erfüllt, indem wir dem Kunden beratend/betreuend zur Seite stehen/standen und den Veranstalter vermittelt und empfohlen haben. Da muss politisch einfach was passieren.
Tim Altepost: Wie ist die Zusammenarbeit mit lokalen Einheiten aus Emsdetten? Werden Förderprogramme und Kurzarbeit in Anspruch genommen und hat das reibungslos funktioniert?
Ann-Katrin Preckeler: Von der Stadt selber habe ich bis jetzt nichts gehört! Da kann ich also nichts zu sagen. Da habe ich keine Hilfe erhalten. Bisher. Die Soforthilfe NRW wurde in Anspruch genommen. Hilft aber bei den aktuellen Fixkosten lediglich für 2,75 Monate. Und auch davon, darf ich mir als Inhaberin nichts nehmen. Aber zumindest sind wir knapp 3 Monate weiter…. Auch das KUG 0 haben wir in Anspruch nehmen müssen. Ohne dieses Programm wären wir schon nicht mehr da.
KfW-Kredite bringen uns Reisebüros nichts. Wir wissen doch gar nicht wie es weiter geht…. Wir benötigen direkte Hilfe! Wir wollen doch einfach nur unser bereits verdientes Geld behalten und bekommen. Das wäre etwas, was uns schon einmal helfen würde. Wenn auch nur vorerst, aber es würde etwas helfen. Wir haben ja momentan nicht einmal ein Produkt, welches wir verkaufen können. Wir haben ja quasi ein Berufsverbot von ganz oben erhalten. Wie sollen wir da denn dann wieder selber Geld verdienen? Also benötigen wir massive Unterstützung und das sofort. Seit Wochen nun wird diskutiert und diskutiert und nichts passiert. Ich möchte mal die Gastronomen sehen, wenn diese zu der aktuellen Situation auch noch ihre Marge für den verkauften Kaffee zurück geben müssten…
Nadine Nitsche: Ich habe im März Kurzarbeit angemeldet. Wochenlang hat die Genehmigung gedauert und große Sorgen ausgelöst. Soforthilfe beantragt, dann kam der Auszahlungstop der Regierung und die Nerven lagen mehr als blank. Mittlerweile ist das Geld da. Selbst habe ich das Wirtschaftscenter kontaktiert und gefragt, ob es noch weitere Tipps gibt und wie man als Inhaber seinen Lebensunterhalt finanziert bekommt. Dort war man sehr nett und zuvorkommend. Das Erstgespräch zu Auflagen bei einer evtl. geplanten Öffnung auf Termin bei der Corona Stelle der Stadt war eine Katastrophe. Erste Antwort, dürfen Sie denn überhaupt öffnen? Ich kann ihnen nicht sagen, wie es sich mit Reisebüros verhält. Sie können doch eh nichts verkaufen, verstehe gar nicht, warum sie sich Gedanken über eine Öffnung machen. Sollte dann alles schriftlich formulieren, damit man mir antworten konnte. Als hätte man da noch Zeit für. Es haben sich ja alle die letzten Wochen nur gelangweilt, da nicht gereist werden konnte. Kaum jemand kann sich unsere Lage hineinversetzen. Die schriftliche Antwort kam allerdings recht zügig und war tadellos!
Tim Altepost: Wie sieht Eure Perspektive / Ausblick aus, helfen die ersten Lockerungen aus Österreich, Türkei und Kroatien der Branche? Auch Bayern, Niedersachen stellen bereits behutsame Öffnungen in Aussicht.
Nadine Nitsche: Sie sind vielleicht ein ganz kleiner Lichtblick, aber wahrscheinlich nicht wirklich relevant. Der größte Schaden wurde bereits angerichtet und weitere Absagen folgen. Der Sommer in Deutschland war auch schon vor Corona mehr als gut gebucht. Ich denke, auch hier könnten noch weitere Absagen folgen, da Hotels ja nicht komplett ausgelastet sein dürfen. Ein paar Buchungen für die Vor- und Nachsaison bekommen wir Reisebüros vielleicht ab, wenn die Reiseveranstalter auf Zack sind. Sind sie aber gerade nicht und haben kaum buchbare Angebote für uns. Wir hoffen, dass sich dies in den nächsten Tagen ändert. Die Wintersaison und das Jahr 2021 könnte wieder etwas anlaufen. Viele Kunden sind aber auch noch verunsichert und möchten eine Neubuchung noch nicht riskieren. Dafür gibt es noch zu viele Unsicherheiten wie es weiter geht. Eine Normalität wird garantiert erst in der Saison 2022/23 erwartet. Für diese Zeit benötigen wir eine Planungssicherheit.
Ann-Katrin Preckeler: Ich sage mal so… direkt – helfen Sie nicht, da ja auch vor der Krise schon 70% ausgebucht war in Deutschland. Indirekt denke ich aber hilft es schon, da man merkt, dass sich die Lage etwas „entspannt“. Dadurch fangen wir Menschen wieder an lockerer nachzudenken und auch Fernweh zu entwickeln. Die Lust auf Urlaub nimmt wieder zu und dies ist dann wieder super für uns. Allerdings nicht mehr für dieses Jahr. Ich denke, das ist fast gelaufen. Deshalb müssen wir ja planen, dass wir erst Mitte nächsten Jahres wieder Geld verdienen werden. Da bei den meisten aufgrund der aktuellen Gegebenheiten Provisionen erst nach Abreise bezahlt werden. Und vor dem Sommer 2021 wird nicht mehr viel passieren. Ich hoffe, dass es im Herbst wieder etwas mehr wird, aber das wird kein Vergleich zum Vorjahr werden. Aber ich sehe es dennoch als positiv an was die Lockerungen angeht.
Tim Altepost: Welche Wünsche und Anforderungen gibt es an die Politik?
Ann-Katrin Preckeler: Bitte berücksichtigt uns doch einmal. Wir arbeiten an unserer Belastungsgrenze, haben Existenzängste und geben dennoch tausenden Kunden Sicherheit und beruhigen sie. Und das obwohl wir selbst nicht wissen, was mit uns passiert. Wir haben viele Kunden aus dem Ausland geholt. Ganz ohne Hilfe und haben alles gegeben, besser gesagt geben wir noch alles. Wir benötigen dringend finanzielle Hilfe. Und da rede ich von richtiger Hilfe und keine Kredite. Wir müssen unser Geld behalten dürfen und auch bekommen – für alle abgesagten Reise. Außerdem brauchen wir weitere Unterstützung, da wir einfach ein Berufsverbot von oben haben. Ich möchte mich nicht an der Krise bereichern, aber ich möchte mir auch im Herbst noch mein Essen kaufen können und meinen Mitarbeitern versichern können, dass auch sie keine Angst um ihren Job haben müssen. Wir brauchen wirklich schnelle finanzielle Klarheit! Einfach um uns auch endlich darauf vorbereiten zu können, wie wir uns vielleicht auch neu ausrichten, um in der Zukunft nicht noch einmal in so eine Situation zu kommen. Aber dafür benötigt man einen klaren Kopf. Den hat man nur, wenn man keine Existenzängste hat und endlich mal wieder schlafen kann.
Nadine Nitsche: Einfach mal gesehen werden und verstehen, was sich in den Reisebüros abspielt. Ein klares Statement, ob wir auf Dauer unterstützt werden, oder nicht. Dann kann jeder Inhaber für sich entscheiden, ob er den Wahnsinn weiter mitmacht oder das sinkende Schiff verlässt, ohne komplett unterzugehen und sich privat rein zu reißen. Sprich, gefordert werden weitere Soforthilfen, und zwar planbar. Wir können uns nicht ständig neu sorgen und das über den Zeitraum von deutlich mehr als einem Jahr. Es hieß Soforthilfe für drei Monate. Und danach?
Wir müssen unser Personal bezahlen können. Die Arbeit ist da, aber kein Verdienst. Auch hier muss es weitere Zuschüsse geben. Einen Betrag x für die Inhaber der Einzelfirmen. Auch unsere Reserven sind erschöpft und wir wollen von unserer Arbeit leben können. Überarbeitung des KUG. Feiertage, Urlaube müssen gezahlt werden. Wie soll das gehen? Sollte man es dennoch nicht schaffen, müssen geänderte Bedingungen bei einer Kündigung bzw. Schließung des Geschäfts ohne Insolvenz her. Es kann sich dann niemand leisten, in den Fristen auch nur einen Cent zu zahlen. Auch habe ich den Wunsch, dass die Politik mal genauer hinschaut. Die Corona-Situation wird von zu vielen Firmen ausgenutzt. Es wird vorsorglich Kurzarbeit beantragt, obwohl die Zahlen noch gut aussehen. Hilfen oder Kredite werden beantragt, weil es gerade günstig ist u.v.m. So bleibt für die, die wirklich darauf angewiesen sind nicht mehr viel übrig. Und „last but not least“ stuft uns als relevant ein, damit auch meine Mitarbeiter, wenn sie hier sind, ihre Kinder gut betreut wissen.
Tim Altepost: Herzlichen Dank für das sehr offene und emotionale Gespräch. Ich glaube, hiermit wird auch jedem Außenstehenden eindeutig klar, wie bedrohlich die aktuelle Lage ist und dass die Situation kaum mit anderen Branchen vergleichbar ist. Ich werde euer Anliegen im MIT Kreisvorstand präsentieren und auch zusammen mit den CDU Verbänden weiter begleiten.